Nicht am Rande, sondern Mitten in der Gesellschaft!

Wichtige VertreterInnen u.a. des Staatsministeriums, Landesamtes für Verfassungsschutz, der Jugendringe, islamischer Vereinigungen, WissenschaftlerInnen und ProfessorInnen, waren anwesend, die sich ausgiebig mit dem Tagungsthema, sei es in ihrer Freizeit, als auch in ihren Doktorarbeiten und Berufen, beschäftigen.

„Ich finde es großartig, dass die DITIB die Initiative ergriffen hat und ihre Jugendarbeit durch die Gründung der neuen Landesjugendverbände Baden und Württemberg auf Landesebene professionalisiert hat“, ehrte Dr. Michael Blume unsere Jugendarbeit in seiner Grußrede als Referatsleiter für „Kirche und Religion, Integration und Werte“ vom Staatsministerium.

Wie wichtig dieses Thema, welches geprägt von Dynamik sei, würde durch die Gründungen unserer Landesjugendverbände verdeutlicht. Er fuhr fort mit einer Geschichte aus seinem eigenen Leben, die er nie vergessen würde:

Als Vertrauenssoldat kam zu ihm einst ein türkeistämmiger Deutscher. Dieser fühlte sich schon immer wie ein Deutscher und wurde auch so behandelt. Doch seit Antritt seines Wehrdienstes bei der Bundeswehr, mobbten ihn seine Kameraden, was er hier suche und er dürfte ja gar nichts Essen, bis er schließlich so genervt und frustriert gewesen sei und zu Herrn Blume kam und meinte: „Bis zu meinem heutigen Tag wurde ich immer als ein Deutscher behandelt. Ich sprach deutsch, lebte deutsch, habe sogar die türkische Sprache schon vergessen, und jetzt merke ich, dass ich doch nicht deutsch bin, aber auch nicht türkisch. Meine Eltern meinen ich sei jetzt einer von ihnen und die Deutschen sagen, ich könne nie einer von ihnen werden. Wenn mich meine Familie nicht will, aber auch nicht die Mehrheitsgesellschaft, vielleicht will mich ja dann Gott?“ […] Er verdeutlichte hiermit, den inneren Konflikt der zwischen zwei Kulturen aufwachsenden muslimischen Jugendlichen und deren Rückbesinnung auf ihre Religion durch die Ausgrenzung seitens beider Gesellschaften.

An diese Geschichte knüpften die Vorträge der zahlreich präsenten WissenschaftlerInnen und ProfessorInnen an.

aaDr. Götz Nordbruch: "Zur Bedeutung der Religiosität unter jungen Muslimen"

Beginnend mit dem Stand der Jugendforschung mit dem Fokus auf junge Muslime, den muslimischen Jugendkulturen in Deutschland bis hin zur Radikalität unter Jugendlichen und den Einfluss von Salafisten, wurden spannende Vorträge gehalten.

Dabei wurde betont, dass das Muslimsein nicht bedeute, kein Deutscher zu sein. Auch wurde die wissenschaftliche Erkenntnis hervorgehoben, dass nach dem 11. September das Interesse der Muslime selbst an ihrer eigenen Religion drastisch zunahm und sie sich auf eine neue Identitätssuche begaben. „Davor waren sie Türken, Araber, Libanesen, jetzt waren sie Muslime“, erzählte uns Dipl.-Päd. Claudi Lübcke.

„Doch nicht nur der 11. September sorgt für die steigenden Wahrnehmung des Islams in der deutschen Gesellschaft, sondern es sei Realität, dass [...] der Islam inzwischen mitten in Deutschland angekommen sei und Omnipräsenz zeige“.

Auch sei eine zunehmende Radikalisierung unter muslimischen Jugendlichen nicht durch quantitative Studien bestätigt worden, wie es immer in den Medien vorgezeigt werde, so Dr. Maruta Herding vom Deutschen Jugendinstitut e.V.

Podiumsdiskussion: "Jugendarbeit islamischer Organisationen - kommunale Beispiele"

Die bunte Vielfalt der muslimischen Jugend kam durch die erste Podiumsdiskussion mit dem Thema „Jungendarbeit islamischer Organisationen – kommunale Beispiele“ zum Vorschein, mit VertreterInnen vom Landesverband der islamischen Kulturzentren, der Fatih-Jugend, Ahmadiyya Muslim Jaamat, der MJD und dem Süddialog. Auch wurde deutlich, dass es sich um sehr vielschichtige / breitgefächerte und pluralistische muslimische Generationen in Deutschland handelt.

Dabei betonten Vertreter des Landesamtes für Verfassungsschutz, dass klar gestellt werden müsse, dass nicht sie, sondern der Staat bestimme, wer letztendlich als Verband beobachtet / verboten werden würde - sie seien lediglich als Berater und Kontrollinstanz beauftragt. Seitens der TeilnehmerInnen gab es trotzdem viele kritische Nachfragen, ob der Verfassungsschutz durch ihre „Vermutungen“ nicht die Arbeit vieler muslimischer Jugendverbände negativ beeinflusse und sie durch Stigmatisierungen isoliere.

Den folgenden Mittwochmorgen gestalteten interessante Vorträge über muslimische Jugendgruppen in der Schweiz seitens der Universität Luzern und die Strukturen der Jugendarbeit in Deutschland bezüglich der Anerkennung.

In der letzte Podiumsdiskussion „Öffnung von Jugendringen - Einbindung von islamischen Organisationen“, an welcher auch Herr Ali Ipek, Koordinator der DITIB Württemberg stellvertretend für uns teilnahm, wurden Erfahrungen mit muslimischen Jugendgruppen in den Stadtjugendringen ausgetauscht und neue Herangehensweisen und Denkansätze angestoßen, bezüglich der Aufnahme muslimischer Jugendgruppen in die Stadt- und Landesjugendringe.

Podiumsdiskussion: "Öffnung von Jugendringen - Einbindung von islamischen Organisationen"

Betont wurde seitens der Jugendringe, dass die neuen Jugendverbände selbstständig und weisungsunabhängig Jugendarbeit leisten müssen. Es würden sich Schwierigkeiten ergeben, wenn Jugendverbände von Erwachsenen geführt würden und nicht selbstständig arbeiten dürften.

Auch beabsichtige man bewusst keine hohen Hürden für die Beitritte, da es den Stadtjugendringen in erster Linie wichtig sei, die Vielfalt zu fördern und zu repräsentieren, sowie die Partizipation zu ermöglichen, so Rainer Mayerhoffer vom Stadjugendring Suttgart.

Martin Burger vom Landesjugendring Baden-Württemberg betonte auch, dass man bei der Eingliederung von Verbänden Jugendlicher mit Migrationshintergrund in die bestehenden Strukturen nicht überfordern dürfe.

Abschließend fand ein Zusammenfassender Rückblick seitens der Organisatoren statt.

Im Großen und Ganzen konnte man festhalten, dass die muslimische Jugend in Deutschland die Integration des Islams in die gesamtgesellschaftlichen Strukturen selbst vorantreibt. Die Impulse dazu werden nicht mehr von Außen durch Dritte gesetzt, sondern von den jungen Muslimen selbstbewusst eingeleitet.

Auch das Bridging (=Brückenbildung), also die Aufklärungs- und Dialogarbeit seitens junger Muslime steigert das Bewusstsein, die Präsenz des Islams und die positive Sensibilität der Mehrheitsgesellschaft gegenüber diesem.

Die Besonderheit des Islams im Westen sei nicht, dass der Islam verwestlich worden sei, sondern die Art, wie der Islam im Westen gelebt werde.

Das Projekt wird, mit unserer aktiven Beteiligung, noch bis Herbst 2014 ausgeführt und zielt darauf ab, ein Buch über dieses Thema zu verfassen. Auf einer Tagung vom 24.- 25.9.2014 wird das Projekt dann abgeschlossen.

Wir danken den Organisatoren für diese spannende Tagung und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit mit der Akademie der Diözese in Rottenburg-Stuttgart und der Robert-Bosch Stiftung.

(Ayse Aykan, LJV Baden)